Zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Wartezeiten für psychisch erkrankte Menschen“ erklärt Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen:
Gesundheitsminister Spahn hat letzte Woche angekündigt, das Thema Wartezeiten in dieser Legislaturperiode aktiv anzugehen und als einen seiner Schwerpunkte auf die Agenda zu setzen. Für ihn sei die Frage der Wartezeiten ein entscheidender Punkt, an dem sich für die breite Öffentlichkeit der Erfolg oder Misserfolg seiner Amtszeit zeigen werde.
Menschen in Krisen brauchen schnell Hilfe, damit ihr Leid sich nicht unnötig verschlimmert oder gar chronisch wird. Obwohl Umfragen und Studien deutlich machen, dass die Wartezeiten in der Psychotherapie enorm sind, zeigt sich die Bundesregierung in ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage, wie auch schon bei unserer letzten Kleinen Anfrage von 2014, in diesem Bereich erneut ahnungslos und bleibt untätig. Dabei sind die Probleme seit langem bekannt. Es kann nicht sein, dass man Menschen mit psychischen Erkrankungen monatelang auf einen Termin warten lässt oder dass sie die Kosten für die Behandlungen selber vorstrecken müssen. Diese Versorgungsdefizite müssen behoben und Versorgungslücken geschlossen werden.
Die Antwort auf unsere Kleine Anfrage macht deutlich, dass die Bundesregierung keinerlei Initiative und Interesse zeigt, die akuten psychotherapeutischen Versorgungslücken zu schließen. Bei der Umsetzung einer bedarfsgerechten Planung werden Fristen um Jahre überzogen. Die Bundesregierung nimmt das hin. Das zeigt sich auch im besonderen Fall des Ruhrgebiets, wo der Behandlungsbedarf besonders dringend ist. Statt 547 empfohlene neue psychotherapeutische Sitze wurden vom G-BA nur 85 zugelassen. Damit werden im Ruhrgebiet 30% weniger Menschen psychotherapeutisch behandelt als in vergleichbaren Regionen. Auch das scheint die Bundesregierung bewusst in Kauf zu nehmen.
Psychische Erkrankungen haben 2015 Kosten in Höhe von knapp 45 Milliarden Euro verursacht. Psychische Erkrankungen stehen zudem an zweiter Stelle der häufigsten Ursachen für betriebliche Fehlzeiten und sind Hauptursache für den Bezug von Erwerbsminderungsrenten. Es ist ein Unding, dass die Bundesregierung jegliche Verantwortung von sich weist und tatenlos zuschaut, wie die Selbstverwaltung den gesetzlichen Auftrag zur Beseitigung der eklatanten Defizite in der psychotherapeutischen Versorgung verschleppt. Wenn Spahn in seinen Forderungen glaubwürdig sein möchte, muss er zeigen, dass er in diesem Bereich endlich aktiv anpackt. Die Folgen für die betroffenen Menschen sowie die gesellschaftlichen Folgekosten sind schon jetzt nicht hinnehmbar.