Bundestagsrede vom 10. November 2016:
Liebe Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, dieses PsychVVG ist eines der besseren Gesetze der Koalition.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dietrich Monstadt [CDU/CSU]: Weiter so! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Ich danke dir!)
Das liegt nicht nur daran, dass bereits im Gesetzentwurf angedeutet wird, dass man eine Fehlentscheidung der letzten Wahlperiode korrigieren will; das ist ein Punkt. Es hat auch Nachbesserungen gegeben. So wurden viele Vorschläge und Forderungen aufgenommen, die die Verbände erhoben haben, die sich aber auch in unseren Anträgen – hören Sie zu! – aus der letzten und aus dieser Wahlperiode wiederfinden, allerdings nur teilweise.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Tatsache ist: Wir haben Schlimmeres verhindert. Sie haben mit den stationsersetzenden Leistungen kleine Schritte für die Verbesserung der Versorgung im stationären Bereich möglich gemacht. Aber eines haben Sie nicht geschafft: Sie haben nicht die Versorgung insgesamt anders aufgestellt. Sie sind nicht die große Aufgabe, die wir längst hätten erledigen müssen, angegangen, eine sektorübergreifende, durchgängig am Bedarf der Person orientierte Versorgung zu ermöglichen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Da haben wir noch viel vor uns. Es fehlt die Leitidee – auch das ist ein Manko dieses Gesetzentwurfs –, wie wir in Zukunft die Versorgung im Bereich der seelischen Erkrankung organisieren wollen. Das wird dazu führen, dass es Unklarheit darüber gibt: Wann und in welchem Umfang werden die stationsersetzenden Leistungen in Anspruch genommen? Wie verhalten sich die Krankenkassen zu den Verträgen, die es für die integrierte Versorgung aus dem ambulanten Bereich gibt? Wie folgen Sie den Modellvorhaben, von denen es bundesweit bisher klägliche 17 gibt, die einen viel größeren Versorgungsanspruch einlösen und das Suchfeld sein sollen, um eine bessere Versorgung vor Ort zu gestalten?
All das ist bedauerlich und führt dazu, dass wir dem Gesetzentwurf in dieser Form nicht zustimmen können. Wir werden uns enthalten, weil wir wichtige Schritte in die richtige Richtung sehen. Aber die eigentliche Aufgabe gehen Sie nicht an.
Ich bin mir ganz sicher: In der nächsten Wahlperiode werden wir diesen Themenkomplex ganz schnell angehen müssen. Wir müssen nicht nur flexiblere Behandlungsmöglichkeiten für diejenigen finden, die bereits stationär versorgt werden, sondern auch im Vorfeld einer chronischen Erkrankung dafür sorgen, dass Menschen sehr frühzeitig die Hilfe bekommen, die sie brauchen, und zwar inklusive akuter Krisenversorgung. Heute geht das nur stationär, nicht ambulant. Es wären aber stationsvermeidende Maßnahmen möglich. Das müssen wir angehen. Ein Blick auf die Zahl der Erkrankungen zeigt, dass wir hier große Verantwortung tragen.
Wenn Sie sich die Steigerungsraten anschauen, wenn Sie sich anschauen, wie viele Erwerbsminderungsrentenanträge auf diesen Bereich zurückzuführen sind, wenn Sie sich anschauen, wie lang die Wartezeiten auf allen Feldern der Versorgung im ambulanten Bereich sind – nicht nur bei der Psychotherapie, sondern auch bei den psychiatrischen Praxen –, dann stellen Sie fest: Wir haben da noch einiges zu tun. Wir stehen auch in der Verantwortung, genau dies zu tun.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Trotzdem muss ich sagen: Es ist ein guter und richtiger Schritt gewesen, dass wir nicht in dieses Preissystem eingestiegen sind, sondern dass wir es tatsächlich dahin gebracht haben, und zwar weiter gehend, als Sie das im Koalitionsvertrag stehen haben, dass wir auf ein neues System umsteigen, wenngleich ich sagen muss, dass wir natürlich nicht wissen, ob dieser Umstieg auch wirklich gelingt. Die Linke hat recht: Es ist durchaus möglich, auf der Grundlage des Gesetzes PEPP durch die Hintertür einzuführen, wenn die Selbstverwaltung nicht zu anderen Lösungen findet. Auch da werden wir sehr genau hinschauen müssen, was möglich ist.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollegin.
Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Einen Wunsch habe ich noch, den ich am Ende noch gerne loswerden würde. Was spricht dagegen, dass wir tatsächlich einen Expertenrat einberufen und schauen, wie eigentlich die Versorgung im Bereich der psychischen Erkrankungen in Deutschland aussehen muss und wie wir dieses Versorgungssystem gestalten müssen, um tatsächlich adäquate Antworten für die Erkrankten zu haben? Ich kann nicht nachvollziehen, warum Sie einen solchen Expertenbeirat nicht möglich machen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollegin Klein-Schmeink, bitte.
Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wir wissen, wie weit wir damals bei der Psychiatriereform gekommen sind und dass wir damals wirklich einen Quantensprung hingelegt haben. Warum soll das heute nicht möglich sein? Ich bitte Sie, in sich zu gehen, ob das nicht bei nächsten Entscheidungen noch möglich wäre.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])