Bundestagsrede vom 29. September 2016:
Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren nicht zum ersten Mal über die Parität in der Krankenversicherung, über die soziale Schräglage der Zusatzbeiträge. Das ist eine Debatte, die uns seit drei Jahren ständig und immer wieder begleitet. Sie begleitet uns zu Recht, weil wir deutlich sehen, dass diese Zusatzbeiträge nicht nur unsozial sind, indem sie eben hohe Belastungen auf die Versicherten abwälzen, sondern auch, dass es Nebenwirkungen für das gesamte Gesundheitssystem gibt, die wir gar nicht wollen können. Gerade deshalb ist es wichtig, ganz grundsätzlich darüber nachzudenken und endlich wieder dahin zu kommen, dass wir die Arbeitgeber genauso wie die Arbeitnehmer an den Kosten der Gesundheitsversorgung beteiligen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])
Es ist ja auch deutlich geworden: Wir schauen auf eine Tradition, die mehr als 50 Jahre Bestand hatte, worauf auch gerade Sie vonseiten der Union eigentlich stolz sein könnten,
(Zuruf von der CDU/CSU: Sind wir auch!)
aber auch Sie von der SPD, darauf, dass man weiß, dass es so etwas wie die Sozialpartnerschaft gab, das Einverständnis, dass man sagt, diese Lebensrisiken tragen wir als Gesellschaft gemeinsam, und wir haben ein gemeinsames Verständnis davon, was eigentlich sozialer Zusammenhalt heißen soll. Daran haben Sie die Axt gelegt, und das ist das, was daran so schwerwiegend ist und was es nötig macht, dass wir endlich wieder davon wegkommen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn ich dann sehe, welche Manöver Sie jetzt mit dem PsychVVG vorgelegt haben, so wird daraus einiges deutlich. Letztendlich ging es ja um eine Haushaltsfrage: Wie bekomme ich es hin, dass ich im Wahljahr nicht erneut deutlich ansteigende Zusatzbeiträge habe? Da macht man dann so einen Griff in die Rücklagen des Gesundheitsfonds und begründet dies ausgerechnet mit den gestiegenen Kosten der Versorgung von Flüchtlingen. Das zeigt erstens, dass es sachfremd ist, zweitens aber auch, wie stark Sie auf solche Tricks und auf Manöver angewiesen sind, die das Eigentliche kaschieren müssen: dass Sie kein stimmiges Finanzierungskonzept haben. Darum ging es nämlich.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie trauen sich nicht, mit diesem schrägen Zusatzbeitrag im nächsten Jahr vor die Wählerinnen und vor die Wähler zu treten. Das ist der Punkt, und das muss man ganz deutlich kritisieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Ich bin froh, dass es von vielen Seiten gerade an dieser Stelle eine Richtigstellung gegeben hat. Ich wünsche mir, dass das auch hier im Hause noch einmal passiert. Gestern Abend auf dem AOK-Empfang ist das ja auch schon sehr deutlich richtiggestellt worden; das begrüße ich sehr. Aber wir sollten es auch für die Öffentlichkeit tun, weil natürlich diese ganzen Manöver mit den Zusatzbeiträgen und dem durchschnittlichen Zusatzbeitrag, mit den hälftigen Beitragssätzen, die da angeblich wiederhergestellt worden wären, damit, dass nur aus Preiswettbewerbsgründen dann der Zusatzbeitrag für den Versicherten hinzukommt, natürlich auch zu Intransparenz führen.
Am Ende bleibt für den Versicherten der Eindruck zurück: Ich werde geschröpft, ich muss immer mehr bezahlen, es geht nicht mehr gerecht zu, und in Zukunft droht mir auch noch, dass vielleicht eine schlechtere Versorgung ins Haus steht. Das dürfen wir gar nicht zulassen, da müssen wir einen Punkt machen, und deshalb ist es auch so wichtig, wieder zur hälftigen Finanzierung zurückzukehren. Es muss wieder ganz klar sein: Gemeinsam stemmen wir die Aufgabe von Gesundheitsversorgung, von Absicherung in Lebensrisiken, und dies ist nicht nur eine Aufgabe der Versicherten und der Patienten, sondern es ist eine Aufgabe von Sozialpartnern. Das sollte in dieser Gesellschaft einfach grundlegend sein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zudem haben wir die Aufgabe noch längst nicht vollständig erfüllt. Ich nehme zur Kenntnis, dass die CDU erstmalig zumindest andeutet: Okay, mit diesem Konzept kommen wir wahrscheinlich nicht über die nächste Wahlperiode. – Ich lade Sie ein: Kommen Sie zu uns, zu unseren Veranstaltungen! Wir setzen uns mit vielen Facetten der Bürgerversicherung auseinander,
(Dr. Edgar Franke [SPD]: Wollt ihr Schwarz-Grün machen?)
mit einem integrierten Versicherungsmarkt, womit wir es schaffen, eine gute, nachhaltige und gerechte Finanzierung für die Versicherten insgesamt sowie eine Krankenversicherung aufzubauen, die für alle Lebenslagen taugt und eben nicht dazu führt, dass Privatversicherte, so wie es heute in den Meldungen zu hören war, fürchten müssen, dass sie mit enormen Beitragssprüngen zu tun haben und insgesamt in eine Situation kommen, die sie letztendlich nicht mehr stemmen können.
(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Das Geschäftsmodell ist kaputt, ist am Ende!)
Es muss so sein, dass alle Versicherten so versichert sind, dass sie für alle Lebensrisiken ordentlich abgesichert sind und gleichzeitig darauf vertrauen können, dass eine gute gesundheitliche Versorgung für alle zugänglich ist. Mit der paritätischen Beteiligung der Arbeitgeber würden wir einen wichtigen Schritt genau in diese Richtung tun. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich diesem Gedanken wieder öffnen würden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Grüner Antrag "Lasten und Kosten fair teilen – Paritätische Beteiligung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber an den Beiträgen der gesetzlichen Krankenversicherung wiederherstellen"