Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Hause! Frau Michalk, Sie haben gerade gesagt: in guten Zeiten für schlechte Zeiten sorgen. Sie haben aber leider keine Argumentation dafür geliefert, wie man eigentlich in guten Zeiten für schlechte Zeiten sorgt. Ein sehr wichtiger Ansatz wäre, den gesellschaftlichen Zusammenhalt gerade in Zeiten guter Finanzlage so zu strukturieren, dass er funktioniert. Das wäre die Aufgabe gewesen. Und genau das passiert mit den Zusatzbeiträgen eben nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Nicht ohne Grund diskutieren wir heute hier zwei Anträge, die im Wesentlichen – auch wenn sie in anderen Aspekten nicht gleich sind – darauf gerichtet sind, die Parität wiederherzustellen. Das hat doch einen guten Grund; denn ein Jahr, nachdem Sie die kassenindividuellen Zusatzbeiträge in Kraft gesetzt haben, haben wir erstmalig eine Situation, in der sie spürbar sind. Wir wissen schon heute: Die Entwicklung wird rasant fortschreiten, wenn wir nicht gegensteuern, und es wird zu hohen Zusatzbeiträgen und einseitiger Belastung der Versicherten kommen.
Da gilt es jetzt gegenzusteuern. Nicht umsonst plädieren die Linke, die Grünen und auch die SPD dafür. Ihr ganzer Parteitag hat sich dafür ausgesprochen; aber auch Ihre Arbeitnehmervereinigung hat sich so geäußert.
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Der Patientenbeauftragte, Herr Laumann, hat deutlich gemacht: Wir müssen wieder hin zur Parität.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Wenn wir jetzt Zeiten mit der besten Konjunktur und der besten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung überhaupt haben, dann muss das doch der Zeitpunkt sein, zu dem wir die Arbeitgeber wieder gerecht beteiligen, nämlich hälftig beteiligen, und dafür sorgen, dass sie ihre Lasten genauso tragen wie die Arbeitnehmer. Es gibt keinerlei Begründung dafür, dass ausgerechnet die gesetzlich versicherten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesen Zeiten eine extra Konjunkturbeihilfe zahlen. Nichts anderes ist es ja.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn Sie argumentieren, das würde Arbeitsplätze sichern, dann lassen Sie sich doch zum Beispiel einmal den Handwerkerlohn vor Augen führen. Das kann man beispielsweise für Bayern gut darstellen. Der Geselle verdient pro Stunde 13,50 Euro brutto. Wenn wir den Arbeitgeber wieder paritätisch beteiligen, zahlt er in diesem Fall 6 Cent mehr für diese Handwerkerstunde, die im Übrigen insgesamt 48 Euro kostet. Daran sehen Sie: Das ist kein wirklicher Beitrag, um Arbeitsplätze zu sichern. Im Gegenteil: Sie wälzen Kosten auf die Versicherten ab, und das ist so nicht hinnehmbar.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Zusätzlich verlieren wir mit der Aufgabe des Prinzips der paritätischen Finanzierung die Arbeitgeber als Wächter für Kostenkontrolle im Gesundheitswesen. Das ist eine ganz wichtige Funktion gewesen, die sie immer innehatten. Aber jetzt haben wir einen Mechanismus, nach dem die Versicherten sämtliche Kosten im Gesundheitswesen zu tragen haben. Der Arbeitgeber ist nicht mehr beteiligt. Wir wissen, dass es um mindestens 11 bis 12 Milliarden Euro pro Jahr geht, und wir wissen auch, dass Sie durch die zahlreichen Reformen des letzten Jahres bis 2019 weitere Kosten in Höhe von 12 Milliarden Euro verursacht haben. All das soll nur der Versicherte zahlen. Das finden wir ungerecht.
(Maria Michalk [CDU/CSU]: Wenn die Löhne steigen, steigt auch der Arbeitgeberbeitrag!)
Da muss man gegensteuern, und ich würde mir sehr wünschen, dass Sie diese gesellschaftliche Diskussion, die ja von weiten Kreisen getragen wird, tatsächlich zum Anlass nehmen, noch einmal innezuhalten und sich zu fragen: Müssen wir nicht die Zusatzbeiträge abschaffen und wieder eine paritätische Finanzierung herstellen? Ist das nicht das, was gefragt ist? Wir brauchen nicht einen Preiskampf zwischen den Krankenkassen um den günstigsten Tarif, sondern wir brauchen Investitionen in den gesellschaftlichen Zusammenhalt und einen Wettbewerb der Kassen, gute Versorgung zu organisieren. Das ist die Aufgabe, die jetzt anzugehen wäre.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Diese Aufgabe ist angesichts des demografischen Wandels wichtiger denn je. Stattdessen beschäftigen Sie unsere Krankenkassen damit, zu überleben. Eine der größten Krankenkassen wird den Spitzensatz erheben müssen.
(Maria Michalk [CDU/CSU]: Von 100 sind es 22!)
Das wird zu enormen Verwerfungen führen. Es wird zu einer enormen Abwanderung von Versicherten führen. Da richten Sie ernsthaft Schaden an in der gesetzlichen Krankenversicherung. Das wiederum bitte ich Sie wirklich mit in die Betrachtung zu nehmen. Das gehört mit in die Anhörung und bitte schön auch in die Verhandlungen zwischen SPD und CDU; denn es reicht nicht – das muss ich an dieser Stelle schon noch einmal sagen –, Opposition in der Regierung zu spielen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich erwarte von Ihnen ganz klar: Verhandeln Sie ernsthaft! Sorgen Sie dafür, dass wirklich Druck entsteht und wir diese Zusatzbeitragsentwicklung stoppen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)