Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist in der Tat ein guter Tag, weil wir zum fünften Mal über die Korruption im Gesundheitswesen reden – erstmalig auf Grundlage eines Gesetzentwurfes – und alle Fraktionen erkennen lassen, dass sie ihn und damit auch das Anliegen zumindest im Grundsatz unterstützen. Das ist ein weitreichender Fortschritt, den ich von unserer Seite aus begrüße.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Warum begrüße ich diesen Schritt? Als wir im Jahr 2012 das Urteil des Bundesgerichtshofes entgegennehmen mussten, in dem es hieß: „Nein, wir können einen besonderen Fall der Einflussnahme bzw. der Bestechung – die nachweislich stattgefunden hatte; 18 000 Euro waren für die Verschreibung eines bestimmten Präparates als Zuwendung an Ärzte geflossen – auf Grundlage unserer derzeitigen Rechtsgebung bzw. Rechtsprechung nicht verfolgen“, war deutlich: Wir haben eine Rechtslücke, eine Handlungslücke. Die wird mit diesem Gesetz geschlossen, und das ist richtig und gut so.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich begrüße auch ausdrücklich, dass die CDU an dieser Stelle Lernfortschritte gemacht hat. Wenn Sie in die alten Protokolle der Debatten sehen, werden Sie sehen, dass da immer nur von „Unterstellungen“ und „Verleumdung der Ärzteschaft“ die Rede war und eben nicht darüber gesprochen wurde, wie dem berechtigten Anliegen der Patientinnen und Patienten entsprochen werden kann. Ich glaube, da sind wir einen entscheidenden Schritt weiter.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])
Das ist auch Ausdruck dessen, wo wir als Gesetzgeber wirklich gefragt sind. Es geht um ein extrem hohes Gut, um das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Das ist kein beliebiges, sondern ein besonders schutzwürdiges Verhältnis; denn wir müssen uns als Patientin bzw. als Patient darauf verlassen können, dass die Behandlungsempfehlungen und Diagnosen zum Wohle des Patienten sind und nicht zum Wohle des eigenen Portemonnaies. Das muss sichergestellt sein. Dieses besondere Verhältnis müssen wir als Gesetzgeber auch in besonderer Weise schützen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])
Ich glaube, kein Mensch in der Bevölkerung kann nachvollziehen, dass wir im Strafrecht einen weitreichenden Antikorruptionsparagrafen haben, aber ausgerechnet dieses besondere Verhältnis außen vor lassen. Auch insoweit ist es ein Akt des gesunden Rechtsempfindens und der Akzeptanz von Rechtsgebung, wenn wir diese Lücke jetzt tatsächlich schließen.
Wir werden wahrscheinlich im weiteren Verfahren schauen müssen, ob wir da nachschärfen und die zulässige Zusammenarbeit vielleicht noch deutlicher formulieren müssen, damit hinreichend klar ist, was in Zukunft strafbar ist, was mit den Mitteln des Strafrechts geahndet wird. Da müssen wir vielleicht noch einmal genauer hinschauen. In den Gutachten und Stellungnahmen hat es bereits sehr hilfreiche Hinweise gegeben. Dem kann man nachgehen. Ich finde, dass zum Beispiel der Deutsche Anwaltverein einen nicht unlogischen Vorschlag gemacht hat. Er hat vorgeschlagen, dass, wenn es Zweifel bezüglich der Zulässigkeit bei der Zusammenarbeit gibt, im Vorfeld von den Sozialrechtsträgern eine Genehmigung eingeholt werden sollte, womit Sicherheit hergestellt werden kann. Damit könnte an der Stelle auch ein Ausschluss von Strafbarkeit festgestellt werden. Diesen Vorschlag sollte man unter Umständen berücksichtigen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben als Grüne aber auch immer deutlich gemacht: Es kann nicht nur um das Strafrecht gehen. Wir müssen im Vorfeld andere wichtige Schritte tun, um Transparenz herzustellen und insgesamt ein Verhalten herbeizuführen, das diejenigen Ärzte und Leistungserbringer im Gesundheitswesen schützt, die sich korrekt verhalten. Ein wichtiger Punkt wäre beispielsweise, in Bezug auf die Zuwendungen von Pharmaindustrieunternehmen und anderen Unternehmen an die Leistungserbringer mehr Transparenz herzustellen. Wir möchten uns gerne der Gesetzgebung in den USA anschließen und nach dem Vorbild des Sunshine Act deutlich machen: Jede Zuwendung über 100 Euro muss gemeldet werden und ist damit nachvollziehbar und einsehbar. Damit habe ich Klarheit: Welche Zuwendungen sind geflossen? Jeder weiß also um irgendwelche ökonomischen Verflechtungen und kann sich als Patient auch ein eigenes Bild machen. Das, glaube ich, ist ein ganz wichtiges Element, das wir zusätzlich und ergänzend angehen sollten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Weiterhin brauchen wir einen wirksamen Whistleblower-Schutz. Auch diese Debatte haben wir hier im Parlament mehrfach geführt. Da müssten wir weiterkommen. Ein weiterer Punkt sind die Anwendungsbeobachtungen. Es geht nicht darum, diese unter Strafe zu stellen, sondern darum, einen rationalen Umgang mit den Anwendungsbeobachtungen zu finden. Sie sollen anders als jetzt ein Instrument sein, mit dem man die Folgewirkungen von Medizinprodukten oder Medikamenten tatsächlich nachvollziehen kann, und nicht Scheinverfahren, mit denen man unter der Hand Zuwendungen möglich machen will. Dazu gehört, einen strukturierten Umgang mit den Anwendungsbeobachtungen im SGB V festzulegen. Auch das wäre eine sehr sinnvolle Ergänzung dieser Gesetzgebung im Bereich der Korruptionsbekämpfung.
Danke schön.