Für Menschen, die auf Hilfsmittel angewiesen sind, ist eine qualitätsorientierte Versorgung die Voraussetzung für barrierefreie Teilhabe und Lebensqualität. Dies gilt auch und besonders für den sensiblen Bereich der Inkontinenzhilfen. Jeder gesetzlich Versicherte, der diese Hilfsmittel benötigt, hat Anspruch auf eine zuzahlungsfreie und bedarfsgerechte Versorgung.
Im April 2017 trat das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) in Kraft, dessen Auslöser nicht zuletzt katastrophale Zustände in der Versorgung von Inkontinenz-Patientinnen und -Patienten waren. Im Zuge der Ausschreibungspraxis hatte hoher Preisdruck zu immer schlechteren Produkten geführt. Zuzahlungen waren keine Ausnahme mehr, sondern wurden zur Regel. Das gesetzgeberische Ziel war deutlich: Die Qualität der Hilfsmittelversorgung sollte gestärkt und Zuzahlungen reduziert werden. Doch schon unsere Kleine Anfrage vom Mai dieses Jahres zeigte, dass die Bundesregierung an ihrem Vorhaben, Qualität zum Maßstab der Hilfsmittelversorgung zu machen, bislang gescheitert ist.
Wie weit Anspruch und Realität auch über ein Jahr nach Inkrafttreten des HHVG noch auseinanderklaffen, zeigt nun eine Untersuchung, die am Wochenende in der „Welt der Krankenversicherung“ (Nr. 08/2018) erschienen ist: Die Paul Hartmann AG hat erstmals die realen Gesamtkosten bei saugenden Inkontinenzhilfen durch ein externes Institut überprüfen und offenlegen lassen. Unter Berücksichtigung aller Kostenpunkte, vom Materialeinsatz über die Herstellungskosten bis hin zu Versand und Abwicklung, kommt die Untersuchung zu dem Schluss, dass eine realistische Monatspauschale für die Versorgung von Versicherten mit saugenden Inkontinenzhilfen mindestens 25 Euro betragen muss. In der Realität liegt diese Pauschale jedoch nur bei 17,78 Euro. Seit Inkrafttreten des HHVG hat keine Krankenkasse die Vergütung erhöht – einige Kassen haben sie sogar deutlich reduziert. Die Ergebnisse lassen erhebliche Zweifel daran aufkommen, ob die Versicherten bei den aktuellen Verträgen mit niedrigen Pauschalen tatsächlich bedarfsgerecht versorgt werden oder ob sie nicht durch die Hintertür faktisch dazu gezwungen werden, für qualitätsgerechte Inkontinenzprodukte Zuzahlungen zu leisten.
Gerade in einem so sensiblen Versorgungsbereich darf nicht zu Lasten der Versicherten gespart werden. Was wir brauchen, ist ein Wettbewerb um gute Qualität. Zur langfristigen Qualitätssicherung ist es notwendig, Patientenbefragungen einen höheren Stellenwert einzuräumen und diese regelmäßig und einheitlich durchzuführen. Denn es sind die Versicherten selbst, die ihre Bedürfnisse am besten kennen.