Zum heute vom Bundeskabinett verabschiedeten Gesetzesentwurfes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen erklärt Maria Klein-Schmeink:
Es ist mehr als überfällig, dass Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen nun unter Strafe gestellt werden sollen. Diese Pläne begrüßen wir grundsätzlich.
Fundament einer guten Gesundheitsversorgung ist das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Arzt und Patient. Patienten müssen sich stets darauf verlassen können, dass Diagnose und Therapie sich allein am Patientenwohl und medizinischen Erwägungen orientieren. Wenn Ärzte bspw. Prämien von Pharmaunternehmen erhalten, damit sie bestimmte Präparate verschreiben, wird dieses Vertrauen erschüttert.
Korruption höhlt das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt aus, mindert die Qualität medizinischer Leistungen und benachteiligt redlich agierende Leistungserbringer.
Deswegen ist es richtig, Korruption im Gesundheitswesen umfassend zu bekämpfen – auch mit Mitteln des Strafrechts. Denn die Erfahrung zeigt, dass berufs- und sozialrechtliche Regelungen allein korruptives Verhalten Einzelner nicht wirksam unterbinden können. So gelten berufsrechtliche Sanktionen nur für die jeweiligen Berufsträger, sozialrechtliche Verbote nur im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung sowie verfügen Berufskammern und Krankenkassen nicht über die erforderlichen Eingriffsbefugnisse, um korruptive Beziehungen entgegen dem Geheimhaltungsinteresse der Zusammenwirkenden aufzudecken.
In seinem Grundsatzurteil vom 29. März 2012 hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass die geltenden strafrechtlichen Korruptionstatbestände auf für die vertragsärztliche Versorgung zugelassene Ärzte nicht anwendbar sind. In der Konsequenz unterliegen niedergelassene und angestellte Ärzte unterschiedlichen Regelungen. Auch für andere Berufsgruppen des Gesundheitswesens fehlen spezielle Regelungen weitgehend. Es gibt keine sachlichen Gründe, die eine unterschiedliche Behandlung der einzelnen Berufsgruppen rechtfertigen könnten. Es ist daher längst überfällig, dass die strafrechtliche Sanktionierung korruptiven Verhaltens auf alle Leistungserbringer ausgebaut wird.
Dabei gilt es die Fehler der schwarzgelben Vorgängerregierung zu korrigieren, die aus falsch verstandener Loyalität gegenüber den Funktionären der Ärzteschaft zwischen halbherzigen Vorschlägen lavierte. Ziel müssen praxistaugliche Regelungen sein, die einerseits so weit gefasst sind, dass das häufig schwer nachweisbare korruptive Zusammenwirken wirksam und unabhängig von gesetzlicher oder privater Krankenversicherungstätigkeit verfolgt werden kann. Andererseits muss das Strafrecht so klar gefasst werden, dass die Akteure im Gesundheitswesen voraussehen können, ob ein Verhalten strafbar ist, und gewünschte, dem Patienten dienende Kooperationen nicht ausgebremst werden.
Es geht dabei nicht um einen Generalverdacht gegen Leistungserbringer, sondern allein darum, das Patientenwohl sicherzustellen. Gleichzeitig schützt die Sanktionierung korruptiven Verhaltens das Interesse der Versicherten an einem wirtschaftlichen Einsatz ihrer Beiträge sowie das Interesse der Leistungserbringer an einem fairen Wettbewerb.
Um Korruption im Gesundheitswesen wirksam und auf allen Ebenen zu bekämpfen, sind überdies weitere Maßnahmen erforderlich, die wir in unserem Antrag skizziert haben. Insbesondere bedarf es mehr Transparenz über ökonomische Verflechtungen der am Gesundheitswesen beteiligten Akteure. Nach dem Vorbild des amerikanischen „Physician Payment Sunshine Act“ sollten alle Leistungserbringer im Gesundheitswesen, Hersteller sowie Hilfsmittelerbringer zur regelmäßigen Veröffentlichung von Daten über die Zahlung von Zuwendungen sowohl auf Geber- als auch auf Nehmerseite verpflichtet werden.
Zudem müssen Arbeitnehmer, die Hinweise zum Fehlverhalten im Gesundheitswesen an die zuständigen Stellen geben, vor negativen arbeitsrechtlichen Konsequenzen geschützt werden (Hinweisgeber-Schutz). Das Ziel verantwortungsvoller Hinweisgeber ist es, Transparenz und Publizität über bestehende interne, riskante, gefährliche oder korrupte Entwicklungen herzustellen, um diese damit beheben zu lassen. Trotz des großen öffentlichen Interesses an diesen Informationen drohen den Mitarbeitern in der Folge oft arbeitsrechtliche Konsequenzen. Die Rechtsprechung ist hier zu vage, so dass für die Handelnden oft Rechtsunsicherheit besteht. Hier müssen klare gesetzliche Regelungen zum Schutz der Informanten getroffen werden.