Spahn hat bislang auf die ihm eigene Weise auf die von Journalisten offen gelegten Betrügereien reagiert. Er hat versucht, seine politische Verantwortung für die unzureichende Testverordnung zu verwischen und die Lücken mit der nötigen Schnelligkeit bei der Umsetzung des Schnelltestanspruchs begründet. Richtig ist, dass Spahn seinerzeit vollmundige Ankündigungen gemacht hatte und anschließend unter erheblichem Druck stand. Spahn und Verkehrsminister Scheuer wurde die Leitung der „Taskforce Testlogistik“ übertragen. Ergebnis ist auch eine Testverordnung, die zum Missbrauch geradezu einlädt. Damit zeigt sich abermals ein Muster, das auch bei den Masken und bei dem Impfdosen für Jugendliche sichtbar wurde. Sein Vorschlag, nun ausgerechnet die Gesundheitsämter mit der Prüfung der Testzentren zu beauftragen, ist zynisch und geht an der Realität in den immer noch stark belasteten Ämtern vorbei.

Vier grüne Punkte:

  1. Spahn muss dem Gesundheitsausschuss sowie dem Haushaltsausschuss bis 9. Juni 2021 einen umfassenden Bericht über die bislang ausgezahlten Mittel für Tests sowie für die Errichtung von Testzentren, zur Anzahl der abgerechneten Tests, zur Positivrate bei diesen Tests sowie zur Anzahl und zur Trägerschaft der Testzentren vorlegen.
  2. Spahn muss über die Kassenärztlichen Vereinigungen Juni eine stichprobenhafte Prüfung der bislang abgerechneten Tests vornehmen lassen. Die hierzu erforderlichen Unterlagen (wie etwa Belege für den Einkauf von Tests) sind laut Testverordnung bei den Betreibern der Testzentren vorhanden. Das Ergebnis der Überprüfungen ist beiden Ausschüssen bis zum 23. Juni 2021 vorzulegen.
  3. Spahn muss unverzüglich die Testverordnung überarbeiten mit dem Ziel strengerer Vorgaben für die Abrechnung der Kosten für Tests. Es müssen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen mindestens Belege zu beschafften Tests regelhaft abgefragt werden. Auch die Preise für die Tests und deren Entnahme müssen unverzüglich neu kalkuliert werden und in der Testverordnung entsprechend angepasst werden.
  4. Spahn muss unverzüglich gemeinsam mit den Ländern eine Bedarfsermittlung für die Testzentren vornehmen. Auf dieser Grundlage ist zu entscheiden, ob und in welchem Umfang eine Beauftragung Dritter bei Testzentren weiter notwendig ist.

Maria Klein-Schmeink, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und gesundheitspolitische Sprecherin:

„Einfach zugängliche Schnelltests sind wichtig, um die Pandemie unter Kontrolle zu behalten. Doch Spahns Testverordnung ist eine Einladung zum Betrug. Sein Vorschlag, die Gesundheitsämter sollten die Testzentren kontrollieren, ist angesichts der Belastung dieser Ämter absolut realitätsfern.“

Anja Hajduk, stellvertretende Fraktionsvorsitzende:

„Spahn hat erst sehr spät Angebote für Schnelltests entwickelt. Weil er unter Druck stand, hat er eine lückenhafte Testverordnung erlassen, die es manchen Testzentren leicht gemacht hat, anscheinend zu betrügen. Spahn muss jetzt zügig für Aufklärung und bessere Kontrollen sorgen. Wir fordern ihn auf, im Haushaltsausschuss Rede und Antwort zu stehen.“

Hintergrund: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn stand im März 2021 unter erheblichem Druck: Er hatte wieder einmal Ankündigungen gemacht. Jede Bürgerin, jeder Bürger sollte sich einmal in der Woche testen lassen können. Doch diese Versprechungen erwiesen sich als unausgereift. Er musste also schnell Ergebnisse liefern. Die Folge war eine Testverordnung mit üppigen Vergütungen und schlanken Abrechnungsregelungen. In der Folge entstanden bundesweit zahlreiche Testzentren aus dem Boden gestampft: betrieben durch Arztpraxen, Apotheken, Kommunen sowie durch von den Gesundheitsämtern hierfür zugelassene private Unternehmen.

In der Testverordnung ist lediglich vorgesehen, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung notwendige Angaben für die Abrechnung definiert. Das sind aktuell für Testzentren Dritter: Gebiet der KV, ID des Leistungserbringers/ Testzentrums, Postleitzahl des Testzentrums/ beauftragten Dritten, Kalendermonat/ Kalenderjahr der Tests, Anzahl der Tests, Gesamtbetrag der Sachkosten, Anzahl und Gesamtbetrag weiterer Leistungen.[1]

Pro Test gibt es 18-21 Euro (6 Euro für den Test, 12-15 Euro für die Entnahme des Tests). Die Abrechnung der Tests erfolgt über die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), die KVen erhalten hierfür von den Leistungserbringern einen prozentualen Verwaltungskostenersatz von bis zu 3,5 Prozent der jeweiligen Gesamtabrechnung. Die Tests werden über Kassenärztlichen Vereinigungen vergütet. Diese holen sich die Mittel aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds. Der Bund erstattet der Liquiditätsreserve die Ausgaben. Neben den Tests werden auch die Kosten für die Errichtung von Testzentren erstattet.


[1] https://www.kbv.de/media/sp/2021-03-19_KBV_Vorgaben_Pflichten_LE_TestV_v.08.03.2021.pdf