Mit dem Versorgungsstärkungsgesetz wurde letztes Jahr die rechtliche Grundlage für die Errichtung von Medizinischen Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen (MZEB) geschaffen – eine Zielgruppe die zurzeit häufig durchs Raster fällt, wenn es um die Versorgung durch spezialisierte Ärzt*innen und Therapeut*innen geht, da bestehende Angebote auf Kinder und Jugendliche beschränkt sich. Mit der Kleinen Anfrage haben wir nachgefragt, wie es um die Umsetzung der MZEB bestellt ist.
Die Medizinischen Behandlungszentren  sind eine Riesen-Chance, um die spezifischen Behandlungsbedarfe von Menschen mit schwerer Behinderung zu decken und eine gute Gesundheitsversorgung zu garantieren. Die Antwort auf unsere Kleine Anfrage lässt jedoch befürchten, dass die Bundesregierung diese Chance gerade vorbeiziehen lässt. 
Klare Kriterien und Maßstäbe zur praktischen Umsetzung und Ausgestaltung der Behandlungszentren sucht man vergeblich. Es ist ausgesprochen selten, dass in einem Gesetz jegliche Konkretisierung für eine neugeschaffene Versorgungsform fehlt. Hier muss die Bundesregierung dringend nachliefern. Bei wichtigen Fragen wie den hohen Erstinvestitionskosten, der personellen Ausstattung oder gar dem bundesweiten Gesamtbedarf an Behandlungszentren hat die Bundesregierung keine Antworten parat. Das erweckt den Eindruck, dass die Bundesregierung das Scheitern dieser Versorgungsform bewusst in Kauf nimmt.
Es ist zu begrüßen, dass die Fachverbände eine Rahmenkonzeption entwickelt haben. Das entbindet jedoch das Gesundheitsministerium nicht von seiner Pflicht, für verbindliche Regelungen zu sorgen. Schließlich geht es um ein sehr konkretes Anliegen: die Gesundheitsversorgung von Erwachsenen mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen zu verbessern. In Deutschland leben 1.5 Millionen Menschen mit zerebral, geistig und/oder seelisch bedingten Behinderungen. Erneut zeigt sich die Bundesregierung unambitioniert was die gesundheitliche Versorgung dieser Menschen anbelangt. Auch die Selbstverwaltung ist jetzt gefordert ihrer Pflicht schnell nachzukommen. Es kann nicht angehen, dass trotz vieler Anträge bisher erst ein MZEB bewilligt wurde. Die Medizinischen Behandlungszentren dürfen nicht unter die Räder der Selbstverwaltung geraten.
Es ist nicht hinnehmbar, dass Patientinnen und Patienten mit Behinderung auch acht Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention noch immer mit großen Zugangshürden bei der gesundheitlichen Versorgung zu kämpfen haben. Gemäß Artikel 25 der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen haben Menschen mit Behinderung Anspruch auf einen diskriminierungsfreien Zugang zur allgemeinen gesundheitlichen Versorgung. Außerdem stehen ihnen Gesundheitsleistungen zu, die speziell wegen ihrer Behinderung benötigt werden und genau auf ihre spezifischen Gesundheitsbedarfe und Beeinträchtigungen zugeschnitten sind. Die MZEB könnten dazu beitragen, diese Anforderung der UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Mit ihrer Passivhaltung riskiert die Bundesregierung jedoch, dass diese Chance vertan wird. Es ist höchste Zeit, eine menschenrechtskonforme gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderung sicherzustellen.
Schon beim aktuellen Entwurf des Bundesteilhabegesetzes hat die Bundesregierung gezeigt, dass sie die Belange von Menschen mit Behinderung hinten anstellt.  Damit sich dieser Eindruck beim Thema MZEB nicht fortsetzt, muss die Bundesregierung aus der Passivhaltung kommen und aktiv dazu beitragen, dass die MZEB ein Erfolg werden. Wichtig ist zudem, dass die Behandlungszentren nicht zu einer Inklusionsbremse werden. Deswegen müssen wir uns gleichzeitig für inklusive Lösungen und Barrierefreiheit in Arztpraxen einsetzen.
Artikel "Verloren im System" der Süddeutschen Zeitung