Mit der Krankenversicherung der Beamten beschäftigte sich ein Fachgespräch der grünen Bundestagsfraktion. Im Zentrum der kontroversen Diskussion stand der grüne Vorschlag eines echten Wahlrechts für Beamte bei der Auswahl der Krankenversicherung.

Beamte haben keine Wahl

Bislang haben Beamte keine echte Wahlfreiheit. Sind sie gesetzlich versichert, müssen sie ihren Versicherungsbeitrag anders als etwa Angestellte im öffentlichen Dienst vollständig selber zahlen. Damit werden die Beamten in die private Krankenversicherung (PKV) getrieben. Diese faktische PKV-Pflicht ist für die PKV durchaus ein lukrativer Zustand, stellen doch die Beamten eine zahlenmäßig große und wirtschaftlich interessante Gruppe innerhalb ihrer Versicherten dar.

Alte und Kranke zahlen mehr als Junge und Gesunde

Privat Versicherte sind in unserem Krankenversicherungssystem nicht immer im Vorteil. Das gilt vor allem für Versicherte mit geringen Einkommen. Denn auch bei ihnen steigt der Beitrag mit dem Alter unabwendbar an. Alte und kranke Menschen müssen mehr zahlen als junge und gesunde. Kinder sind in der Regel nicht mitversichert. Gering Verdienende zahlen genauso viel wie Versicherte mit hohen Einkommen.

Argumente des Vertreters der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV)

Die Positionen der eingeladenen Referenten waren erwartungsgemäß unterschiedlich. Prof. Dr. Klaus Jacobs vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) kritisierte in seinem Vortrag die fehlende Wahlfreiheit für Beamte. Die Beamten würden nicht nur durch den fehlenden Arbeitgeberbeitrag in die PKV gezwungen. Selbst in der PKV gebe es für die dort Versicherten keine echten Wechselmöglichkeiten zwischen den Unternehmen. Die Bundesregierung könne nicht erklären, worin der über die Leistungen der GKV hinausgehende Fürsorgeanspruch der Beamten eigentlich bestehe. Nach Jacobs Einschätzung führt zwar ein Wahlrecht für die Beamten kurzfristig für die öffentlichen Haushalte zu Mehrausgaben. Mittel- und langfristig sind aber deutliche Einsparungen zu erwarten. Bedenklich sei im Übrigen die fehlende Transparenz. Es sei unmöglich, vollständige Angaben über die gesamten Beihilfeausgaben von Bund und Ländern zu bekommen. Auch sei nicht ersichtlich, welche Qualität die Gesundheitsversorgung der Beamten habe. Jacobs kritisierte, dass die Bundesregierung sich nicht an den Interessen der Versicherten orientiere, sondern auf den Erhalt des Zwei Säulen Modells aus GKV und PKV.

Argumente des Vertreters der Privaten Krankenversicherungen (PKV)

Dr. Frank Wild vom Wissenschaftlichen Institut der PKV fragte in seinem Vortrag nach der Ausgestaltung eines solchen Wahlrechts. Mögliche Änderungen hätten seiner Ansicht nach mit Blick auf die Alimentations- und Fürsorgepflicht des Staates gegenüber den Beamten „verfassungsrechtliche Dimensionen“. Änderungen des Leistungskataloges würden die Frage aufwerfen, wie weit die Fürsorgepflicht des Staates reiche. Überdies befürchtete er Rechtsunsicherheit und Klagen. Das Kapitaldeckungsprinzip in der PKV habe Vorteile. Ein Wahlrecht hätte auch Auswirkungen auf die Solidargemeinschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung, es führe zur Risikoselektion.
Auf Widerspruch im Publikum traf seine Aussage, ein Wahlrecht für die Beamten führe zu einem Mehrklassensystem innerhalb der GKV. Es wurde die Frage aufgeworfen, welchen Unterschied im Leistungskatalog es eigentlich zwischen der Versorgung in der GKV und dem Beihilfesystem gäbe. In der Vergangenheit seien Änderungen der GKV-Leistungen wirkungsgleich auf die Beihilfe übertragen worden. Auch seinen dahingehende Klagen abgewiesen worden.

Die Perspektive der Beamten

Dr. Karsten Schneider ist Leiter der Abteilung Beamte und öffentlicher Dienst im DGB. Ihm ist nicht Bange vor solchen Klagen. Die Alimentationspflicht des Staates könne auch anders organisiert werden als über die heutige Beihilfe. Eine Alternativregelung wie ein Wahlrecht sei sinnvoll. Der Staat bestrafe seine Beamten durch das fehlende Wahlrecht. Es gäbe eine große Intransparenz bei den Leistungsausgaben. Ohnehin sei eine Tendenz zur immer größeren Annäherung des Leistungsumfangs von Beihilfe und gesetzlicher Krankenversicherung zu beobachten. Als weiteres Argument für eine Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nannte er, dass die Teilzeitarbeit zunehme. Da die Prämien in der PKV aber nicht einkommensabhängig sind, seien die Versicherten überfordert. Dies würde einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf entgegenwirken. Auch würden Eltern-Kind Kuren von der Beihilfe nicht finanziert. Positiv im Vergleich zur PKV sei aus seiner Sicht auch das Engagement der gesetzlichen Krankenversicherung in der betrieblichen Gesundheitsförderung.

Die grüne Position

Maria Klein-Schmeink ist gesundheitspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion. Für sie ist klar: Beamte, die sich für die gesetzliche Krankenversicherung entschieden hätten, dürften nicht bestraft werden. Der Beihilfeträger müsse daher die Hälfte des Beitrages übernehmen. Dies sei vor allem für Beamte mit geringen Einkünften, vielen Kindern oder in Teilzeit tätigen Beamten notwendig. Eine im nächsten Schritt einzuführende Bürgerversicherung würde überdies zu mehr Wahlfreiheit auch der in der PKV versicherten Beamten führen. Denn diese hätten bislang überhaupt keine Möglichkeit, ihre Krankenkasse zu wechseln.

Diskussion

Tim Szent-Ivanyi gehört der DuMont Hauptstadtredaktion an. Er moderierte die abschließende Diskussion. Hans Ulrich Benra vom dbb Beamtenbund und Tarifunion äußerte die Ansicht, der Beamtenstatus sei zwingend mit der Beihilfe verbunden. Damit werde der Fürsorgeanspruch der Beamten „umfassend“ realisiert. Mehr Wahlfreiheit für Beamte mache keinen Sinn, es gäbe heutzutage keinen Grund für Beamte, in die GKV zu gehen. Zugleich sprach er sich aber für einen Teilkostenzuschuss des Beihilfeträgers für die in der GKV versicherten Beamten aus. Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass das Beihilfesystem reformbedürftig sei. Allerdings solle dies innerhalb des bestehenden Systems erfolgen. Karsten Schneider vom DGB unterstützte hingegen den Vorschlag, Beamten mehr Wahlfreiheit zu ermöglichen. Es gebe Beamtengruppen, für die die gesetzliche Krankenversicherung vorteilhafter sei.
Prof. Dr. Klaus Jacobs kritisierte das Missverhältnis zwischen dem, was die Steuerzahler für die Beihilfe aufwenden müssten und dem, was die Beamten dafür bekämen. Die gesetzliche Krankenversicherung sei ein System mit hohem Steuerungspotential sowohl hinsichtlich der Ausgaben als auch der Versorgungsqualität. Diese Möglichkeiten hätte die PKV nicht. Transparenz sei von den Dienstherren der Beamten überhaupt nicht gewünscht. Dies würde den Handlungsdruck offenbaren. Auch die Länder seien in der Pflicht, für mehr Transparenz zu sorgen. Die Forderung nach mehr Wahlfreiheit sei ein „guter Aufschlag“ – wer könne schon gegen Wahlfreiheit sein. Allerdings berge diese das Problem der Risikoselektion. Dem schloss sich auch Stefan Etgeton von der Bertelsmann Stiftung an. Größerer Reformdruck werde vor allem durch größere Transparenz geschaffen. Biggi Bender ist ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen. Sie fragte, was eigentlich an einer Wahlfreiheit so schwierig umzusetzen sei. Gesetzlich versicherte Bundestagsabgeordnete hätten ebenfalls die Möglichkeit, einen Zuschuss des Staates zum Beitrag zu bekommen. Was bei den Abgeordneten möglich sei, müsse doch auch bei den Beamten möglich sein.
Maria Klein-Schmeink bedankte sich abschließend für die „facettenreiche“ Diskussion und kündigte an, die Ergebnisse der kontroversen Diskussion aufzunehmen und die diskutierten Varianten weiter zu bearbeiten. Es gebe im jetzigen zweigeteilten Versicherungssystem viele Verlierer. Deswegen werde am Ziel der Bürgerversicherung festgehalten und weiter an dessen Konkretisierung gearbeitet.