Die Arbeitswelt verändert sich: Durch die Reorganisation von Dienstleistungen, Outsourcing und die Zerlegung von Produktionsprozessen gewinnen selbständige Tätigkeiten seit Jahren tendenziell an Bedeutung. Die Digitalisierung verleiht neuen Formen der Selbständigkeit einen zusätzlichen Schub. So genannte digitale Nomaden, die mit relativ geringem Kapital sowie orts- und zeitungebunden arbeiten, entsprechen kaum noch dem klassischen Bild des selbständigen Unternehmertums. Einerseits eröffnen sich gerade in kreativen und innovativen Branchen neue Chancen für ein selbstbestimmtes und flexibles Arbeiten. Andererseits zieht der Wandel aber auch Umbrüche in der Erwerbsbiographie vieler Beschäftigten nach sich. Abhängige Beschäftigung und selbständige Tätigkeit folgen aufeinander, wechseln sich ab oder laufen parallel – die Grenzen werden fließender. Das hat teils weitreichende Konsequenzen für die Absicherung bei Krankheit, im Alter oder bei Erwerbsunfähigkeit.
Wer den Weg in die Selbständigkeit wählt, trägt mehr Verantwortung für die eigene Absicherung – und hat größere Risiken. Kein Arbeitgeber kümmert sich um die Anmeldung zur Kranken- und Rentenversicherung oder übernimmt anteilig die Kosten hierfür. Sie müssen vom Selbständigen zusätzlich zu seinen Betriebs- und Personalausgaben erwirtschaftet werden. Für viele Selbständige ist das auch kein Problem. Doch der Selbständige oder die Selbständige von heute, das ist schon lange nicht mehr nur der wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmer. Mindestens zehn Prozent der Selbständigen haben eine prekäre Einkommenslage und gelten damit als akut armutsgefährdet. In vielen Dienstleistungsberufen, im Gesundheits- und Pflegesektor, aber auch in der Bauwirtschaft werden viele abhängig Beschäftigte über Subunternehmen und Franchising mehr oder weniger notgedrungen zu formal Selbständigen. Auf Plattformen im Internet entstehen immer häufiger virtuelle Arbeitsmärkte und gerade hier ist die Gefahr unsteter und niedriger Einkommen groß. Unsere Sozialsysteme müssen mit diesen Entwicklungen Schritt halten.
Deshalb fordern wir in unserem Autor*innenpapier: Auch kleine Selbständige brauchen Solidarität – die gesetzliche Krankenversicherung muss an die soziale Wirklichkeit angepasst werden.
Gemeinsames Autor*innenpapier von Maria Klein-Schmeink, Markus Kurth und Kerstin Andreae