Bei der Entwicklung eines neuen Entgeltsystems in der stationären Psychiatrie wird das Leistungsgeschehen zur Versorgung psychisch Kranker aus Expertensicht nicht angemessen abgebildet. Die Reform des Entgeltsystems muss auch für personalaufwändige individualisierte therapeutische Leistungen in der Allgemeinpsychiatrie passende Abrechnungsmöglichkeiten vorsehen, um eine qualifizierte Versorgung der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten. Ein internes Fachgespräch der Fraktion am 7. Februar mit einer hochkarätig besetzten Expertenrunde bestätigte dies. Die eingeladenen ExpertInnen betonten, bislang würden zu viele psychiatrische Krankenhäuser weit unterhalb des nötigen Personalbedarfs arbeiten. Die neue Vergütungssystematik solle eine sektorübergreifende und personenzentrierte Behandlung ermöglichen. Damit würden Fehlanreize zur Ausweitung der stationären Versorgung verhindert und die Behandlung könne vermehrt in den ambulanten und teilstationären Bereich verlagert werden.
Die eingeladenen ExpertInnen Prof. Dr. Karl-Heinz Beine, Arbeitskreis Chefärzte der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern, Prof. Dr. Andreas Heinz, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité Berlin, Prof. Dr. Peter Kruckenberg, Vorstand der Aktion Psychisch Kranker, Frau Nowack-Schwonbeck , Geschäftsführerin der AOK Niedersachsen sowie Matthias Rosemann, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Gemeindepsychiatrischer Verbünde e.V. waren sich darin einig, dass die Reform des Entgeltsystems dazu genutzt werden sollte, um die Sektorgrenzen zwischen der stationären und ambulanten Versorgung zum Wohle der Patienten abbauen zu helfen. Das neue Vergütungssystem böte zudem die Chance, eine zukunftsweisende, qualitätsorientierte und an den besonderen Bedürfnissen psychisch kranker Menschen orientierte Versorgung zu realisieren. Damit werden Fehlanreize zur Ausweitung der stationären Versorgung verhindert und die Behandlung kann vermehrt in den ambulanten und teilstationären Bereich verlagert werden. Diese Ziele werden bereits in vielen Verträgen zur integrierten Versorgung von psychisch kranken Menschen umgesetzt. Im Zentrum steht eine personenzentrierte Behandlung, die möglichst im Wohnumfeld des kranken Menschen geleistet wird und ihn deshalb nicht aus den persönlichen Bezügen herausreist.
Nach der letzten Überprüfung des Erfassungssystems waren als Kostentrenner Therapieeinheiten von 25, 50 und 75 Minuten eingeführt worden. Diese Methode sei geeignet, um die Therapieeinheiten in der Psychosomatik darzustellen, nicht jedoch für personalaufwendige, individualisierte, therapeutische Leistungen in der Allgemeinpsychiatrie. Die ExpertInnenrunde befürchtete die Entstehung von Fehlanreizen und eine Ausweitung planbarer und zeitlich ausgedehnter diagnostischer und therapeutischer Prozesse.
Die eingeladenen ExpertInnen fordern, dass ihre Kritik bei der nächsten Änderung des Erfassungssystems berücksichtigt wird. Über die Begleitforschung sollen die Veränderungen des Vergütungssystems und der Versorgungsstrukuren transparent gemacht werden. Bisher fehle ein Umsetzungsgesetz, mit dem die Veränderungen bewusst gesteuert werden können.
Dazu zählt auch die Überwachung der Personalausstattung nach Psychiatrie-Personalverordnung. Parallel zur Entwicklung eines neuen Entgeltsystems sollte die Personalausstattung gemäß Psychiatrie-Personalverordnung wiederhergestellt werden. Es gibt Hinweise, dass viele Krankenhäuser die Psychiatrie-Personalverordnung nicht erfüllen und zur Querfinanzierung anderer Bereiche nutzen. Wenn unterhalb des nötigen Personalbedarfs gearbeitet wird, leidet darunter die Qualität der Versorgung von PatientInnen. Bisher fehlt die Transparenz zu der Umsetzung. Abhilfe könnte ein Umsetzungsgesetz schaffen.