Anlässlich des im Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurfs zu betreuungsrechtlichen Zwangsbehandlungen erklären Maria Klein-Schmeink, Sprecherin für Prävention und Patientenrechte, und Ingrid Hönlinger, Obfrau im Rechtsausschuss:
Der Bundesgerichtshof hat bereits im Juni 2012 festgestellt, dass es für die ärztliche Behandlung von Menschen, die unter Betreuung stehen und selbst in die Behandlung nicht einwilligen können, keine gesetzliche Grundlage gibt. Hierauf hat die Bundesregierung endlich reagiert. Der Gesetzentwurf stellt eine tragfähige Diskussionsgrundlage dar.
Allerdings akzeptieren wir nicht, dass dieses Gesetz ohne ordentliches Gesetzgebungsverfahren im Eiltempo durchgepeitscht werden soll. Ein derart schwerwiegender Grundrechtseingriff erfordert eine unverzügliche, aber sorgfältige Beratung, unter Einbeziehung von medizinischen und juristischen Sachverständigen. An einem solchen Verfahren werden wir uns kritisch und konstruktiv beteiligen.
Unser Anliegen ist es, Zwangsbehandlungen künftig weitestgehend zu vermeiden. Hierzu sind auch Veränderungen im psychiatrischen Alltag erforderlich. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat ausdrücklich betont, dass ein solch schwerer Eingriff in Grundrechte nur erfolgen darf, wenn weniger eingreifende Maßnahmen aussichtslos sind. Außerdem muss der behandelnde Arzt versuchen, die auf Vertrauen und Einsicht gegründete Zustimmung des Patienten zu erreichen. Genau hieran mangelt es im psychiatrischen Alltag häufig. In den Einrichtungen fehlen oft das Konzept, die Zeit oder schlicht das Personal, mit der Folge einer zwangsweisen Medikation.
Zusätzlich muss Gesundheitsminister Daniel Bahr dafür sorgen, dass die Patientenautonomie in psychiatrischen Krankenhäusern strukturell gestärkt wird. Die Krankenhäuser müssen finanziell und personell in die Lage versetzt werden, patientenorientierten Behandlungsanforderungen zu genügen. Dazu zählen zusätzliche Sitzwachen und Rückzugsräume in einer reizarmen Umgebung, die sich auch in dem Entgeltsystem niederschlagen müssen. Wichtig sind auch Nachsorgeangebote unter Einbeziehung von Psychiatrieerfahrenen und Angehörigen psychisch Kranker, die darauf ausgerichtet sind, das Auftreten einer psychiatrischen Krise frühzeitig zu erkennen. Im Rahmen des Patientenrechtegesetzes setzen wir uns für eine gesetzliche Verankerung der Behandlungsvereinbarung ein. Damit sollen für Patientinnen und Patienten mit wiederkehrenden Krankheitsepisoden, die mit Zeiten der Einwilligungsunfähigkeit einhergehen, für den Fall der Einwilligungsunfähigkeit Art und Umfang der Behandlungsmaßnahme mit dem Behandelnden festlegt werden, um Vertrauensbildung zu erreichen.