Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr verehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Minister! Wir haben von den Mitgliedern der Großen Koalition gerade schöne Geschichten gehört,

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Das waren Tatsachen!)

die girlandenreich erzählen sollten, dass man auf einem guten Weg ist, dass wir auf der einen Seite eine stabile Finanzierung bekommen werden und auf der anderen Seite mehr Qualität im Gesundheitswesen.

(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: So ist das!)

Die Wahrheit ist eine ganz andere.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, Sie haben ja auch eine Rückschau vorgenommen. Wenn man sich anschaut, wie die Situation in den Krankenhäusern und in der Pflege ist, gehört zu dieser Rückschau ganz elementar der enorme Reformstau im Krankenhausbereich und in der Pflege, den Sie von Schwarz-Gelb geerbt haben. Das ist die große Aufgabe, die Sie sich jetzt auch vorgenommen haben. Das ist richtig, das ist gut. Eine Reform ist mehr als überfällig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ob es gelingen wird, diese Reform mit den vorgesehenen finanziellen Mitteln auch tatsächlich zu stemmen, bleibt noch dahingestellt. Meine Kollegin wird ja auch gleich für den Bereich der Pflege noch einmal den Finger in die Wunde legen.

Dann haben Sie versucht, darüber hinwegzureden und haben erzählt, dass wir ja heute die erste Haushaltsberatung der Großen Koalition im Bereich Gesundheit erleben. Die Wahrheit ist erst einmal: 95 Prozent dieses Haushaltes machen die Zuschüsse zum Gesundheitsfonds aus. Diese Zuschüsse sind nicht etwa Verhandlungsmasse, abhängig von der Finanzlage, sondern sie sind gesetzlich fixiert mit einem Auftrag. Dieser Auftrag heißt: Es ist ein Zuschuss des Steuerzahlers für den Beitragszahler für versicherungsfremde Leistungen. Sie wollten das vertuschen, indem Sie darauf verwiesen haben, dass wir eine große Rücklage bei den Kassen und im Gesundheitsfonds hätten. Die Wahrheit ist aber: Diese Zuschüsse sind dazu da, beitragsfremde Leistungen abzudecken im Bereich des Elterngeldes, des Kinderkrankengeldes, der Mitversicherung von Kindern und Ehepartnern. Das sind doch die eigentlichen Funktionen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Da geht es um 30 Milliarden Euro. Der Zuschuss deckt mit den insgesamt im Gesetz vorgegebenen 14 Milliarden Euro sowieso nur einen kleinen Teil ab. Wenn Sie dort jetzt Geld entnehmen, machen Sie genau das, was der Kollege von den Linken betont hat: Sie nehmen Geld aus den Taschen der Beitragszahler, um einen vernünftigen und stabilen Haushalt vorweisen zu können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber das ist das Gegenteil von solider Finanzierung. Das ist das Gegenteil von nachhaltiger Finanzierung. Das ist ein Griff in die Kassen der Sozialversicherung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das ist auch ungerecht!)

Zusätzlich wollen Sie ja im Zuge der finanziellen Reform, die Sie in Kürze angehen wollen, einen Zusatzbeitrag einführen, der die Versicherten erneut zur Kasse bitten wird. Das ist zutiefst ungerecht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das, liebe SPD, ist auch das Gegenteil dessen, was Sie gemeinsam mit uns und den Linken im Wahlkampf versprochen haben. Sie sind wie wir für eine solidarische Finanzierung eingetreten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wo bleibt genau dieses Konzept? Das möchte ich sehen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das Konzept hat nicht so viele Stimmen gekriegt!)

– Das Konzept hatte trotzdem einen großen Rückhalt in der Bevölkerung; das wissen Sie.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Bei den Wahlergebnissen nicht!)

Nun hat der Minister ja auch noch einmal darauf hingewiesen, dass wir mit der Einführung des pauschalen Zusatzbeitrages vielleicht ein bisschen viel Wettbewerb im Gesundheitswesen hatten, sozusagen eine Überstrapazierung des Wettbewerbs, der dazu geführt hat, dass die Kassen sehr stark auf ihre Ausgaben geschaut haben. Sie meinen, dass Sie jetzt mit dem prozentualen Zusatzbeitragssatz einen moderateren Weg gehen. Fakt ist aber: Sie werden den Preiswettbewerb weiter fortsetzen. Das wird dazu führen, dass die Leistungen schlechter werden, dass die Krankenkassen nicht in bessere Qualität und bessere Versorgung investieren, sondern wie das Kaninchen auf die Schlange schauen werden, wie ihr Beitragssatz und ihre Position im Preiswettbewerb der Krankenkassen aussehen werden. Das ist das Gegenteil von Gerechtigkeit und Qualität in der Versorgung. Genau dieser Weg wurde schon während der schwarz-gelben Regierungszeit beschritten. Der Schwerpunkt liegt vor allem auf Preiswettbewerb und Finanzen. Es gibt nur wenige Investitionen in wirklich gute Qualität. Eine solche Herangehensweise ist angesichts des demografischen Wandels nicht zu verantworten.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)