Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gehe jetzt direkt auf die vorherigen Beiträge ein.
Zunächst möchte ich sagen: Wir unterstützen das Anliegen der Linken in ihrem Antrag, weil auch wir meinen: Es ist notwendig, dass wir einen Haltepunkt setzen und uns noch einmal anschauen, unter welchen Bedingungen wir PEPP in Gang gesetzt haben und ob das neue Honorarsystem in seiner Ausgestaltung, die wir im Gesetz gewählt haben, geeignet ist, eine Verbesserung der Versorgung von psychisch erkrankten Menschen herbeizuführen. Das muss nämlich die große Zielsetzung sein.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Wir stellen hier fest, dass schon bei der Geburt dieses Gesetzes einige Fehler gemacht worden sind. Ich glaube, auch die CDU-Kollegen waren durchaus nicht immer glücklich mit den Vorschlägen, die vom damals FDP-geführten BMG unterbreitet worden sind und letztlich Inhalt des Gesetzes wurden.
Es gab zentrale Defizite. Beispielsweise wurde vorher nicht geprüft – das war der erste Fehler –, ob die Personalausstattung den Notwendigkeiten in den Psychiatrien tatsächlich entspricht. Es gab keine Vorstellung darüber, wie man die ambulante Versorgung und die stationäre Versorgung zusammenbringen kann und wie der Übergang von stationärer Versorgung zur ambulanten Versorgung im Entgeltsystem abzubilden ist.
Es gibt kaum einen Ansatz, der tatsächlich im Auge hat, wo die Versorgung 2022 stehen muss. Wie muss sie aussehen? Wie schaffen wir eine gemeindenahe, gut verzahnte, ambulante, gestufte Versorgung für die Menschen mit einer psychischen Erkrankung unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Individualität? Das alles fehlte bei der Beurteilung der Ausgangslage, weshalb dieses Gesetz eher ein Spar- und kein wirkliches Reform- und Strukturgesetz geworden ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Zum zweiten Fehler. Sie haben gesagt, es sei ein lernendes System. Per Ersatzvornahme wurde die neue Struktur des Entgeltsystems erst einmal vorgegeben. Von dieser Ebene aus kann sie jetzt weiterentwickelt werden.
(Maria Michalk [CDU/CSU]: Wie denn sonst?)
Es hat im Vorhinein Probedokumentationen gegeben.
(Maria Michalk [CDU/CSU]: Eben!)
Man hat nach Kostentrennern gesucht und aufgezeigt, dass das, was vom InEK berechnet wurde, nicht praxisrelevant war, sondern dass noch andere Kostentrenner analysiert werden mussten.
Das alles war bekannt. Deshalb kann man feststellen, dass wir mit Wissens- und Informationslücken sowie strukturellen Defiziten in dieses System gestartet sind. Das ist eigentlich bedauerlich, weil wir natürlich zu einem neuen Honorarsystem kommen müssen. Wir müssen zu einem leistungsgerechten Entgeltsystem kommen, das aber auch die individuellen Bedürfnisse der Patienten berücksichtigt. Das muss die große Zielsetzung sein.
Sie haben im Koalitionsvertrag verabredet, jetzt eine systematische Überprüfung vornehmen zu wollen. Wir hoffen darauf, dass Sie diese tatsächlich ergebnisoffen vornehmen und auch das Anliegen der Linken in ihrem Antrag berücksichtigen – das ist ja im Übrigen ein Anliegen, das wir in unserem Antrag damals auch schon geäußert hatten –, eine begleitende Expertenkommission einzurichten und sich gemeinsam mit ihr auf den Weg zu einem adäquaten Neustart zu machen.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Ganze wird aber damit stehen und fallen, dass Sie wirklich bereit sind, noch einmal zu überdenken, wo unsere psychiatrische Versorgung 2022 stehen muss. Dabei dürfen Sie nicht nur auf die Kosten gucken, sondern es geht auch darum, dass es am Ende passgenaue Angebote gibt, die sowohl die ambulante als auch die stationäre Hilfe im Blick haben.
Auf der einen Seite ist zu berücksichtigen, was in Bezug auf die integrierte Versorgung im ambulanten Bereich entwickelt wird. Auf der anderen Seite muss die neue Form des Honorarsystems Maßnahmen ermöglichen, die notwendig sind, um nach der Entlassung ausdem Krankenhaus wieder vollständig zu genesen. All das steht heute noch komplett aus. Das sind die Aufgaben, die wir zu erledigen haben.
Wir müssen ebenso fragen, was das neue System für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention bedeutet und was die von uns entwickelten Vorgaben, nach denen Zwangsbehandlungen und Zwangsmaßnahmen zu vermeiden sind, für den Personalbedarf bedeuten.
Das sind die großen Baustellen, die wir anzugehen haben. Wir hoffen, dass wir mit den Anhörungen, die zu diesem Antrag hoffentlich stattfinden werden, genau diese Probleme auf den Tisch bringen. Wir werden unsere Vorstellungen mit einem weiteren Antrag in die Debatte einbringen und hoffen, dass Sie in der Umsetzung ihrer Koalitionsvereinbarung einen Schritt weiter kommen – zugunsten der Betroffenen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)