Zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage "Stand der Umsetzung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen" erklärt Maria Klein-Schmeink:
"Die Bundesregierung muss sich endlich den realen Problemen in der psychiatrischen Versorgung stellen. Dazu gehören der deutliche Anstieg von Patientinnen und Patienten in psychiatrischen Krankenhäusern, eine lange Verweildauer, häufig wiederkehrende stationäre Aufenthalte, Zwangsmaßnahmen als Folge von zu wenig Personal, lange Wartezeiten in der ambulanten Behandlung und ein fortdauernder Anstieg von frühzeitiger Erwerbsunfähigkeit. Die Antwort auf unsere Kleine Anfrage macht deutlich – bei der bisherigen Umsetzung des PsychVVG hakt es an vielen Ecken und Enden. Obwohl immer wieder betont wird, dass es Zeit sei, die starren Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung zu überwinden und eine am individuellen Bedarf der Patient*innen ausgerichtete Versorgung zu ermöglichen, stehen dem in der Realität noch immer massive gesetzliche Hürden im Weg. Der zaghafte Versuch mit der Einführung stationsäquivalenter Leistungen droht an den engen gesetzlichen Regelungen zu scheitern. Laut Antwort der Bundesregierung haben lediglich 3 Krankenhäuser bisher die stationsäquivalente Behandlung eingeführt und man geht von einer geringen einstelligen Anzahl von Krankenhäusern je Bundesland aus, die deren Einführung überhaupt beabsichtigen. Die Bundesregierung sieht jedoch keinen Handlungsbedarf. Dabei könnte gerade so ermöglicht werden, Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen in akuten Krankheitsphasen in ihrem Lebensumfeld zu behandeln und stationäre Aufenthalte zu verkürzen oder zu vermeiden.
Eklatant ist auch die geringe Anzahl an psychiatrischen Einrichtungen, die der Nachweispflicht über die tatsächliche Besetzung der nach der Psychiatrie-Personalverordnung vereinbarten und von den Krankenkassen finanzierten Stellen bisher vollständig nachgekommen sind. Es kann nicht sein, dass für 2017 über die Hälfte der psychiatrischen Einrichtungen, selbst zum gesetzlich festgelegten Nachmeldetermin, keinen vollständigen Nachweis erbracht haben. Damit entziehen sie sich ihrer gesetzlichen Verpflichtung. Dabei soll gerade damit gewährleistet werden, dass die Versichertengelder, die die Qualität der Versorgung auf den Stationen sicherstellen sollen, auch für Personal zur Verfügung stehen und nicht für andere Ausgaben verwendet werden.
Was wir brauchen ist eine Personalbemessung und auch tatsächliche Personalausstattung, die das für die Behandlung Notwendige und nicht nur das Mindeste in den Blick nimmt. Das gilt nicht nur aus Sicht der Patient*innen, eine angemessene und am Bedarf orientierte Personalausstattung wirkt sich auch auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten aus und steigert maßgeblich die Attraktivität des Berufs für die verschiedenen dort tätigen Berufsgruppen. Zudem könnten durch mehr qualifiziertes Personal Zwangsmaßnahmen maßgeblich vermieden werden. Es muss sichergestellt werden, dass bei der Entwicklung des geplanten neuen Personalbemessungsinstruments der therapeutische und pflegerische Aufwand, der für eine erfolgreiche Behandlung notwendige Personalmix sowie der Bedarf für eine zwangsarme Psychiatrie in allen Behandlungsbereichen und -settings berücksichtigt werden. Uns reicht deshalb nicht, dass nur die Selbstverwaltung darüber entscheidet. Zur Bestimmung der verbindlichen Mindestvorgaben für eine bedarfsgerechte, alle Behandlungsbereiche und -settings umfassende Personalausstattung sollte dem G-BA eine trialogisch besetzte Expertenkommission unter der Beteiligung von Experten, Angehörigen und Patient*innen zu den Bereichen Erwachsenenpsychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Psychosomatik zur Seite gestellt werden. Der aktuelle Pflegenotstand zeigt, dass die gemachten Fehler nicht wiederholt werden dürfen."