Richtig ist: Eine Reform des bestehenden Werkstattsystems ist überfällig, da dieses in seiner bestehenden Form mit den rechtlichen Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention nicht vereinbar ist und auch das Potenzial beruflicher Rehabilitation nicht ausschöpft. Richtig ist aber auch: Mit der geplanten Reform geht keine Abschaffung der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM) einher, wie es oft in der Öffentlichkeit fehlerhaft dargestellt wird. WfbM müssen vielmehr in ihrer Funktion als Einrichtungen der Rehabilitation gestärkt werden. Die Wünsche und die personenzentrierte Unterstützung des Einzelnen müssen überall in den Mittelpunkt rücken.

Seitens vieler Werkstattbeschäftigter, Mitarbeiter und der Angehörigen herrscht gerade Unverständnis darüber, wie ihrer Meinung nach eindimensional negativ WfbM in den Medien dargestellt würden. Dabei ist gerade NRW bereits auf einem guten Weg. Als bislang einziges Bundesland bietet es auch für Menschen mit schweren Beeinträchtigungen und hohen Unterstützungsbedarfen eine Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen.

Um dem allgemeinem „Werkstatt-Bashing“ und der Sorge der Menschen vor Abschaffung der WfbM entgegen zu wirken, löste Bundestagsabgeordnete Dr. Anne Monika Spallek (Bündnis90/Die Grünen) ihr Versprechen an die Geschäftsführung vom Stift Tilbeck ein und holte ihre Grünen-Kolleg*innen MdB Corinna Rüffer aus Trier (teilhabepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion), MdB Maria Klein Schmeink aus Münster (stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, gesundheitspolitische Sprecherin) und MdL Dennis Sonne zu einem konstruktiven Austausch ins Stift Tilbeck.

„Wir halten niemanden fest, sondern machen uns sehr stark für die Vermittlung auf den ersten Arbeitsmarkt.“ Dass das aber nicht einfach ist, unter anderem da ein Drittel der Bewohner im Stift Tilbeck schwerstmehrfachbehindert ist, belegte Robert Schedding, Geschäftsbereichsleiter Arbeit und Beschäftigung, mit Zahlen: „In den letzten zehn Jahren konnten wir von 400 Beschäftigten 21 auf den ersten Arbeitsmarkt vermitteln.“

Bei den geplanten Änderungen handelt es sich nicht um realitätsfremde Aktionen vom grünen Tisch, versicherte Maria Klein Schmeink: „Es wird nicht über die Betroffenen hinweg und auch nicht ohne sie entschieden. Es soll dabei individueller betrachtet werden, worum es geht!“. Inklusion benötigt neuen Schwung, meint Corinna Rüffer: „Um tatsächliche Wahlmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen jenseits der WfbM zu schaffen, müssen alternative Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt her. Dazu gibt es gerade in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel mit dem inklusiven Unternehmensnetzwerk vorbildliche Ansätze“, betont sie und weiter: „Zudem ist es wichtig, den Automatismus, der die meisten Abgänger*innen von Förderschulen direkt in eine Werkstatt führt, durch den Aufbau besserer Ausbildungsangebote zu durchbrechen.“

Alle waren sich einig: „Es hilft keinem von uns, wenn Panik diesen Prozess begleitet. Deshalb müssen wir kontinuierlich im Gespräch bleiben!“

Zum Thema fehlender Mobilitätsangebote im ländlichen Raum für den Übergang Betroffener in den ersten Arbeitsmarkt gab Anne Monika Spallek als Anregung in die Runde, dass doch von den 0,2 Cent/kwh, die die Kommunen für Wind- und Solarparks in ihrer Region nun vergütet bekommen, Mobilitätsangebote gefördert werden könnten. „Da kommt demnächst viel Geld bei den Kommunen an. Das sollte doch möglichst auch sinnvoll zum Beispiel für bessere Mobilitätsangebote für alle im ländlichen Raum verwendet werden.“

 

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v.l.: MdB Corinna Rüffer, MdB Dr. Anne Monika Spallek, MdB Maria Klein-Schmeink, Klient Cedric Eidinger, Paul Bergmann (OV Nottuln), 2. Reihe: Dr. Friedhelm Höfener (OV Havixbeck), Wolfgang Dropmann (Kreistagsfraktion), Robert Schedding, Geschäftsbereichsleitung Arbeit und Beschäftigung, Guido Hoffmann, Geschäftsführung der Stift Tilbeck GmbH und Stefanie Kersting (Angehörigen- und Betreuerbeirat). Es fehlt MdL Dennis Sonne.