"Wir stimmen gegen die 11. Atomgesetznovelle, die eine Laufzeitverlängerung für alle deutschen Atomkraftwerke vorsieht. Es gibt eine Vielzahl von Gründen, die gegen die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken sprechen (Sicherheits- und Proliferationsgefahren, ungelöste Endlagerfrage, Systemkonflikt mit dem Ausbau Erneuerbarer Energien, Zementierung der Marktmacht der vier Atomkonzerne u. v. m.). Wir möchten uns hier auf die Darlegung der Gründe beschränken, die negative Aus-wirkungen auf unser Bundesland NRW haben, obwohl dort zum Glück schon seit vielen Jahren kein Atomkraftwerk mehr in Betrieb ist. Die Laufzeitverlängerung gefährdet geplante und getätigte Investitionen von kommunalen Stadtwerken und neuen Energieunternehmen in NRW. Im Vertrauen auf Planungssicherheit durch den Ausstieg aus der Atomkraft haben diese Unternehmen Investitionen in neue Kraftwerkskapazitäten – vor allem mit Erneuerbaren Energien und in Kraft-Wärme-Kopplung – durchgeführt oder geplant. Durch die Konkurrenz alter, abgeschriebener Atomkraftwerke sind diese Investitionen nun nicht mehr wirtschaftlich. Notwendige Investitionen in die Erneuerung unserer Stromerzeugung werden so verhindert, regionale Wertschöpfung und Arbeitsplätze in NRW gefährdet. Laufzeitverlängerungen konterkarieren somit die Ziele der NRW-Landesregierung und vieler Unternehmen in NRW zum Ausbau einer klimafreundlichen und dezentralen Energieversorgung. Im münsterländischen Ahaus befindet sich das größte Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente abseits der Atomkraftwerke. Die Bundesregierung hat bisher in keinster Weise dargelegt, ob die dezentralen Atommüllzwischenlager an den Standorten der Atomkraftwerken ausreichen, den zusätzlichen, durch die Laufzeitverlängerungen verursachen Müll aufzunehmen. Die Regierungsfraktionen haben Fragen und Diskussionen zu diesem Thema in der Anhörung und den Sitzungen des zuständigen Ausschusses verhindert. Es ist zu befürchten, das mangels Zwischenlagerkapazitäten an den AKW-Standorten massenweise Atommüll infolge der Laufzeitverlängerung mit einer Vielzahl von Atomtransporten nach Ahaus gebracht werden muss. Damit droht Ahaus zum dauerhaften Endlager der Republik zu werden, weil die Bundesregierung mit ihrer unverantwortlichen Festlegung auf Gorleben das Finden eines geeigneten Endlagerstandortes verhindert. Die langfristige Lagerung von Atommüll in Ahaus in einer Halle in Leichtbauweise stellt ein unverantwortliches Risiko für Mensch und Natur im Münsterland und darüber hinaus dar. Die Urananreicherungsanlage (UAA) in Gronau ist die einzige ihrer Art in Deutschland und maßgeblicher Teil der atomaren Brennstoffkette zum Betrieb von Atomkraftwerken. Durch die Laufzeitverlängerung müssen in Gronau erheblich mehr Brennstäbe hergestellt und in Verbindung damit eine Vielzahl von Atomtransporten durchgeführt werden. Dies stellt eine unverantwortbare Gefährdung der Region dar. Ein Zwischenfall im Januar diesen Jahres, bei dem ein Arbeiter verstrahlt wurde, zeigte das Gefahrenpotenzial der UAA ebenso wie der durch den Unfall offenbar ge-wordene völlig unzureichende Katastrophenschutz für die Anlage. Die sog. „Konditionierungsanlage“ der Gesellschaft für Nuklearservice in Duisburg, in der radioaktive Abfälle für ihre Einlagerung vorbereitet werden, liegt unmittelbar an einem Wohngebiet und stellt eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die die dort lebenden Menschen dar. Durch die Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke wird diese Anlage nun möglicherweise in größerem Umfang in Anspruch genommen. Das lehnen wir ab. In Jülich und Hamm-Uentrop befinden sich riesige und hochproblematische Altlasten früherer Atom-Abenteuer, deren Rückbau aber unseren Enkeln und Urenkeln über-lassen wird. Das zeigt die fehlende Nachhaltigkeit der Atomkraft. In Jülich wurde der Hochtemperatur-Versuchsreaktor AVR Jülich 1988 stillgelegt. Der Reaktor ist bis heute – über 20 Jahre später – nicht zurückgebaut. Der Reaktorbehäl-ter ist so stark verstrahlt, dass er nicht zerlegt werden kann. Der 2000 Tonnen schwere und 26 Meter hohe Behälter muss als Ganzes in eine eigens errichtete, we-nige hundert Meter entfernte Lagerhalle gebracht werden. Nach einigen Jahrzehnten ist die Strahlung vielleicht soweit abgeklungen, dass unsere Enkel und Urenkel das Problem losen können. Nur durch den Wegtransport lässt sich das nach einem schweren Unfall 1978 stark verstrahlt Erdreich unter dem Reaktor sanieren. Bisher hat der “Rückbau“ des Reaktors in Jülich die SteuerzahlerInnen schon sage und schreibe über 700 Mio. Euro verschlungen. Am Ende werden es sicher über eine Mil-liarde Euro Kosten sein. Der Bau des Nachfolgemodells des AVR Jülich, der THTR Hamm-Uentrop, kostete über 2 Mrd. Euro und musste nach nur gut drei Betriebsjahren wegen technischer Unzulänglichkeiten und dauerhafter Pannen 1988 stillgelegt werden. Seitdem hat allein der „sichere Einschluss“ der Anlage mehrere hundert Millionen Euro gekostet. Der „Erhaltungsbetrieb“ der Anlage verschlingt jährlich 5 Mio. Euro. An einen Rück-bau der Anlage ist erst ab dem Jahr 2027 zu denken, wenn die Strahlung im Reaktor abgenommen hat. Nahezu sämtliche Kosten von AVR und THTR tragen die SteuerzahlerInnen. Die Energiekonzerne haben sich bei den Kosten einen schlanken Fuß gemacht. Atomkraft ist das Gegenteil einer nachhaltigen Energieerzeugung und verletzt eklatant Generationengerechtigkeit. Die Folgen müssen unsere Kinder, Enkel und deren Nachfahren ausbaden. Deshalb ist die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken, die noch sehr viel mehr als den ohnehin schon vorhanden Atommüll produziert, aus diesem und vielen weiteren Gründen unverantwortlich und wird von uns abgelehnt." Die Erklärung im PDF-Format