„Die vom BMG vorgeschlagenen Maßnahmen insbesondere im Bildungswesen oder das Testen beim Reiseverkehr nehmen leider viel zu spät den Herbst in den Blick, das hätte viel früher passieren müssen und nicht erst dann, wenn in einigen Bundesländern die Schule schon wieder begonnen hat. Andere Länder wie die USA zeigen, dass trotz Impffortschritten gewisse Schutzmaßnahmen und Hygienekonzepte weiterhin greifen müssen, vor allem im Herbst und Winter, wenn die Saisonalität im Pandemiegeschehen wieder eine größere Rolle spielen wird. Es ist richtig und zumutbar, dass das Tragen einer Schutzmaske in gewissen Settings, wie im Nah- und Fernverkehr oder im Einzelhandel, für alle Personen weiterhin verpflichtend sein soll.
Wir befinden uns derzeit in einer volatilen Situation: die Impfkampagne stagniert trotz 30 Millionen bisher ungeimpfter Deutscher, die ansteckendere Delta-Variante ist mittlerweile dominant, die Mobilität der Bevölkerung ist auf dem Niveau von vor der Pandemie und die Infektionszahlen steigen täglich. Bereits jetzt ein Datum für das Ende kostenloser Tests festzulegen halte ich für verfrüht, da noch nicht abzusehen ist, wie insbesondere die ins Stocken geratene Impfkampagne in den kommenden Wochen wieder wirkungsvoll in Schwung kommen soll. Bei hohen Infektionszahlen und gleichzeitig noch zu niedriger Herdenimmunität ist es erforderlich, dass insbesondere im Rahmen von zweimal wöchentlichen Screeningtests am Arbeitsplatz und im Bildungswesen weiter kostenlos getestet wird. Dabei sollten wir nun verstärkt statt Anti-Gen-Schnelltests die zuverlässigeren Pool-PCR-Tests einsetzen. Kostenlose Tests sollte auch für Geimpfte und Genese möglich bleiben, zum Beispiel wenn sie mit Verwandten zusammen kommen, die nicht geimpft werden können. Es ist jedoch richtig, dass wir in Abhängigkeit des Fortschritt beim Impfen irgendwann an einen Punkt kommen werden, wo Türöffnertests beispielsweise für einen Restaurant oder Konzertbesuch für Impfunwillige nicht mehr kostenfrei bleiben.
Ziel muss es sein, trotz der sich ankündigenden vierten Welle, erneute weitreichende Einschränkungen des öffentlichen Lebens und insbesondere von Schulen zu vermeiden. Dazu braucht es ein Sicherheitsgeländer für den Herbst. Es ist folgerichtig, den Zugang zu bestimmten Veranstaltungen und Settings, etwa Restaurantbesuche im Innenbereich, Kinobesuche oder Körpernahedienstleistungen nur unter Einhaltung der 3G-Regel zu gewähren. Eine Impfpflicht durch die Hintertür ist das nicht. Ein eskalierendes Infektionsgeschehen würde im Herbst vor allem die Ungeimpften betreffen, deshalb braucht es neben der Inzidenz auch weitere Indikatoren zur Beschreibung der Pandemie-Lage. Dass gewisse einschränkende Maßnahmen zu ergreifen sind, die für Geimpfte und Genesene nicht gelten würden, ergibt sich für mich aus dem hohen persönlichen Infektionsrisiko für die bisher über 30 Millionen Ungeimpften in Deutschland.“